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Führung und Organisation: Ewald Riedelmayer im Interview

Ich freue mich, heute wieder einen Gast hier im Interview zu haben, und ich begrüße ganz, ganz herzlich den Ewald Riedelmayer im Interview. Hallo Ewald, ich freue mich extrem, dass du heute hier dabei bist!

Ewald: Hallo, lieber Stefan, vielen Dank für deine Einladung, freue mich auf unser Gespräch. Hallo, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen!

Stefan: Mit Ewald spreche ich heute über die Entwicklung von Menschen und Organisationen und auch die Rolle von guter Führung und Führungskräften für eine ausgezeichnete People Experience. Ewald hat weit über zwei Jahrzehnte Erfahrung als Trainer und Berater und gerade in den letzten Jahren sich dem Thema als Organisationsentwickler und auch Lernwelten Entwickler angenommen. Außerdem treibt Ewald aktiv die österreichische Working Out Loud Community voran und ist selber auch Working Out Loud Mentor. Soweit also die harten Fakten seines Lebenslaufs. Würdest du dich den Hörerinnen und Hörern selbst kurz vorstellen? Wer ist der Ewald? Wo kommst du her, beruflich oder privat, was immer du teilen magst, und vor allem, was treibt dich an?

Wer ist Ewald Ridelmayer?

Ewald: Ich komme aus dem Waldviertel und bin dort aufgewachsen und habe mich dann für eine technische Ausbildung entschieden und nach der Matura in verschiedenen Branchen vor allem als Techniker gearbeitet. Erst relativ spät ist mir bewusst geworden, das, was mich eigentlich interessiert, das sitzt 30 bis 40 Zentimeter vor den Maschinen, mit denen ich mich intensiv beschäftigt habe, nämlich der Faktor Mensch, die individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten, Kompetenzen, das, was Menschen ausmacht. Und ich habe damals begonnen, berufsbegleitend eine psychologische Ausbildung zu machen, und damit hat sich der Weg in Richtung Unternehmensberatung ziemlich schnell geebnet. Ja, und heute lebe ich in Wien als Unternehmensberater, bin verheiratet, und habe vier Kinder die weitgehend schon ausgezogen sind.

Coaching und Begleitung von Organisationen ist für mich eine neue Heimat geworden. Warum? Was treibt mich an? Es ist vor allem, Menschen Mut zu machen, ihre Individualität, ihre Einzigartigkeit zu entdecken und weiterzuentwickeln, Mut zu machen, sich mit den eigenen Stärken einzubringen und wirksam zu werden.

Stefan: Mir war gar nicht bewusst, dass wir da eine Gemeinsamkeit haben. Ich bin ja auch als Techniker im Maschinenbau und Automatisierungstechnik gestartet in meinem Berufsleben und es  hat es mich auch in die Richtung des Menschen als Teil von Organisation verschlagen.

Wie erklärst du denn mir oder den Hörerinnen und Hörern, was macht denn ein Lernwelten Entwickler, was machst du das so, was steckt da dahinter?

Was macht ein Lernwelten Entwickler?

Ewald: Diese Kunstwörter, ich weiß nicht alle, lieben sie, und trotzdem habe ich mich dafür entschieden, mich so zu präsentieren, weil ich es als Unternehmensberater liebe, einzigartige, inspirierende Rahmenbedingungen zu schaffen, die persönliche Weiterentwicklung ermöglichen.

Das bedeutet auch, Settings so auszugestalten, dass Lernen und Entwicklung kurzweilig, humorvoll und leicht passieren kann, also nicht verordnet passiert. Ich bringe ein praktisches Beispiel. Wir nutzen zum Beispiel in Team Settings sehr gerne Feedback Spaziergänge. Das heißt, für eine besondere Form von Gesprächen, wo es beispielsweise ums Eingemachte geht, einen Rahmen zu finden, der angenehm ist, der inspirierend ist und der Gespräche auch in Bewegung bringt. Da bietet sich das das Umfeld in der Natur viel besser an als zum Beispiel ein Seminarraum.

Stefan: Also das Umfeld, in dem man sich befindet, auch aktiv zu gestalten, das nehme ich jetzt mal mit. Du hast die erste Frage von mir schon vorweggenommen, nämlich wie bist du denn zu deinem Thema gekommen, die Entwicklung über den technischen Hintergrund und deine Weiterbildung. Du hast dabei gesagt, dann war der Weg in die Organisationsentwicklung und Beratung fast aufgelegt. Vielleicht kannst Du dazu noch ein, zwei Zwischenschritte erklären. Denn du könntest auch in große Organisationen gehen oder anderes tun.

Ewald: Wahrscheinlich war es bereits in der Zeit, in der ich noch als Techniker gearbeitet habe, wo ich erkannt habe: ist es nicht alles selbstverständlich für jeden Menschen, und jeder Mensch hat andere Herangehensweisen, seine Arbeit zu gestalten.

Ich habe anfänglich mehr Fachtrainings gemacht. Das war Sales Support, wo ich letztendlich Kunden unterstützt habe, die Produkte, für die wir verantwortlich waren, besser zu verstehen oder bedienen zu können. Und da habe ich entdeckt, es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten, es auch didaktisch herausfordernd und vielfältig zu machen, um jeden Kunden gut bedienen zu können. Und das war dann irgendwie der Punkt zu sagen, da gibt’s doch noch mehr, auf das ich schauen möchte, und die Technik ist letztendlich das, was uns unterstützt, aber nicht das Zentrale, was uns als Arbeitskraft, als Mensch ausmacht.

Stefan: Jetzt sind wir bei dem Thema Zeitraum gelandett. Was denkst du, heutzutage – wir sprechen im März 2023 miteinander – Unternehmen, die ihre Menschen, Führungskräfte und Organisation entwickeln noch besonders? Denn ich kenne das auch schon seit fast 30 Jahren im Berufsleben, das das jeder behauptet. Das macht man sowieso, und das ist uns auch so wichtig. Deine Gedanken dazu?

Was macht Unternehmen, die ihre Menschen, Führungskräfte und Organisation entwickeln noch besonders?

Ewald: Ich finde, es ist überhaupt nichts mehr besonders für Organisationen, in die Mitarbeitenden zu investieren durch Entwicklungsangebote, und dadurch kann sich, glaube ich, ein Unternehmen heute auch nicht mehr besonders hervorheben.

Aber dort, wo ich vielleicht einen Unterschied sehe, ist beim „Wie“ –  also wie betreibe ich Weiterentwicklung innerhalb meiner Organisation, und wie gestalte ich Entwicklungsmöglichkeiten? Und da gibt es sicher große Unterschiede. Ich kenne noch eine Zeit, in der ich als Mitarbeitender primär über einen Seminarkatalog mir ein Seminar ausgesucht habe. Verglichen dazu denke ich, dass es heute viel stärker darum geht, dass Personen in der Personalentwicklung die Mitarbeiter dabei unterstützen, coachen, beraten, was gute, sinnvolle persönliche Entwicklungen sind, und dabei eigene Initiative fördern. Wohin zieht es mich? Was kann ich besonders gut, womit komme ich gut an, was inspiriert mich? Und das sind so Aspekte, die wahrscheinlich heute viel wichtiger sind als früher, und da ändert sich auch etwas in den Anforderungen an die Verantwortlichen in der Personalentwicklung.

Stefan: Da kommt mir sofort das Wort „kuratieren“ in den Sinn, also verschiedene Inhalte, verschiedene Quellen. Man muss auch nicht mehr alles selber finden. Für viele von uns jetzt in der privilegierten Situation hier in Mitteleuropa ist lernen im Prinzip kostenfrei geworden. Ich kann die Top Inhalte aller großen Universitäten mehr oder weniger kostenfrei oder zu ganz geringen Kosten konsumieren.

Wie hat sich denn deine Arbeit mit Unternehmen da in den letzten Jahren verändert? Und zweite Frage mit Blick in die Zukunft: wie wird sich diese Arbeit in den kommenden fünf bis zehn Jahren verändern? Als ein Stichwort: künstliche Intelligenz. Wie siehst du deine Rolle hier auch in den Organisationen des Lernwelten Entwickler, wo geht da die Reise hin?

Wo geht die Reise als Organisationsentwickler und Berater hin?

Ewald: Ich fange mal damit an – was hat sich verändert, oder wie erlebe ich es im Moment? Im Moment erlebe ich, dass zunehmend die Zielgruppe, die entwickelt werden soll, einbezogen wird, sehr früh einbezogen wird, schon in Konzeption, aber auch Klärung des Bedarfs, und das erachte ich auch als sinnvoll diese Partizipation indem man die Teilnehmenden zu Beteiligten macht.

Das heißt, mir wird nicht eine Veranstaltung verordnet, sondern ich gestalte sie mit, und ich bin auch mit verantwortlich. Ich kann mich erinnern, ein Podcast von Dir hat sich mit Eigenverantwortung beschäftigt, und das sehe ich als einen sehr relevanten Punkt. Ich bin für meine Entwicklung letztendlich selbst verantwortlich. Ich habe bei meinem Job selber ausgesucht, ich weiß, warum ich ihn mache, hoffentlich :-), und worin meine Stärken bestehen und wie ich diese Stärken noch weiterentwickeln kann.

Ein zweiter Aspekt, der mir aufgefallen ist, wie ich begonnen habe: als Unternehmensberater gab’s doch tatsächlich Seminarangebote, wo fünf Tage lang über das Thema Kommunikation gesprochen wurde, und wir waren mit Teilnehmen eine ganze Woche im Seminarhotel, haben super Zeit gehabt, spannende Themen entwickelt – und davon sind wir heute weit entfernt. Inzwischen ist ein Zweitäger eher fast schon untypisch, und der Wunsch ist letztendlich, die gleichen Inhalte wie vor zehn Jahren in fünf Tagen heute in zwei Stunden unterzubringen. 

Seminarhotels sind gut und sinnvoll, aber wenn ich Dinge direkt am Arbeitsplatz machen kann, direkt vom Computer aus, dann ist das auf alle Fälle förderlicher und effizienter. Das sind Dinge, die ich beobachte. Lernen am Arbeitsplatz heißt natürlich oft virtuell lernen und arbeiten. In vielen Aspekten ist das auch hilfreich und gut, und trotzdem wird es immer auch diese Präsenzveranstaltungen brauchen, etwas, wo man auch über Nacht weg ist und wo Zeit ist die Themen zu reflektieren und wo Erkenntnisse wachsen können. Und das kann ich einfach in einem zweistündigen virtuellen Meeting oder beim bei einem Youtube Video, das ich mir zwischendurch 15 Minuten reinziehe, sichern nicht in dieser Intensität erleben.

Stefan: 100 Prozent bei dir, vor allem merke ich immer wieder in Gesprächen, und das mag jetzt auch an der Anführungszeichen in der Vergangenheit liegenden Corona Pandemie Situation liegen, dass die Menschen sagen, auch das rundherum, das Umfeld des Lernens ist wichtig, und dieses am Abend zusammensitzen und nicht nur über inhaltliche Themen zu sprechen. Sich zu vernetzen und persönlich kennenlernen und dann als Gruppe auch zusammenzuwachsen und später in die Organisation zu tragen und dort auch besser zusammen zu arbeiten.

Ich finde, das ist so ein ganz wichtiger Aspekt bei der Präsenzdiskussion, in der oft nur über die inhaltliche Seite gesprochen wird. Vielleicht hast du dazu noch Gedanken …

Vernetzung ist wesentlich!

Ewald: Du hast jetzt einen wichtigen Punkt eingebracht, das Thema Vernetzung. Ich merke, dass das auch zunehmend an Bedeutung gewinnt, um nah am Arbeitsplatz, nah an den persönlichen Themen, an der eigenen Entwicklung zu arbeiten. Vernetzen heißt, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, heißt, voneinander zu lernen, miteinander zu lernen, sich gegenseitig auch zu unterstützen und zu beraten.

Kollegiale Beratung ist da so ein Stichwort, und diese Aspekte, weil du es vorher auch eingangs schon angesprochen hast, übernehme ich sehr stark aus dem Konzept von Working Out Loud. Man tauscht sich aus, und man tauscht sich in einem kleinen, sehr vertrauten Kreis aus, um an sich zu arbeiten, um an eigenen Skills und Kompetenzen zu arbeiten, auch Fragestellungen mit Kolleginnen und Kollegen zu besprechen. Das war früher oft ein Nogo. Jeder musste zeigen: ich kann das alles selber.

Dieses Agieren in einer kleinen Peer Gruppe, in der ich über die Zeit Vertrauen entwickle, schafft einen neuen Rahmen des Lernens, der viel näher am Arbeitsplatz ist als möglicherweise nur ein Absitzen in einem zweitägigen Seminar. Ich beobachte auch zunehmend, das Peergruppen ein immer zentralerer Teil von Curricula werden, weil sie so bedeutend sind. Es geht nicht darum, welche Inhalte man primär vermittelt, sondern dass der Austausch untereinander gefördert wird und dass die offene Kommunikation untereinander gefördert wird und das das selbstorganisierte Lernen gestärkt wird. Das finde ich einen sehr, sehr zentralen Teil von Entwicklungsarbeit, der heute wichtiger ist als vielleicht in der Vergangenheit.

Stefan: Guter Punkt, dieses alles können und wissen müssen, ist schon lange vorbei. Aber faktisch und praktisch, glaube ich, kommt es auch darauf an, dass man hoffentlich in einem guten Unternehmensumfeld, entsprechender Kultur und Organisation ist. Auch wenn jedem klar sein müsste, dass Faktenwissen immer weniger relevant wird (abhängig von Beruf und Aufgabe selbstverständlich!)

Ich möchte unser Gespräch in die Richtung Führung lenken, und ich weiß, die Führungskräfte heutzutage sind immer im Brennpunkt und Fokus. Auch wenn wir tendenziell immer flachere Hierarchien haben in den Organisationen. Wie wird sich denn da aus deiner Sicht die Führungsrolle und wie werden sich die Führungskräfte verändern? Und was macht solche Aufgaben, die Führungsaufgaben, in Zukunft überhaupt noch interessant aus deiner Sicht?

Management vs. Leadership

Ewald: Die Frage ist, was ist der Anspruch an eine Führungskraft? Ziele zu erreichen, ein Team zu managen? Oder geht es auch darum, ein Team zu inspirieren, in die Kraft zu kommen? Und du merkst, das läuft auf das Thema Management versus Leadership hinaus, und ich spreche lieber über Leadership.

Dazu zählt, dass eine Führungskraft nicht mehr die oder der beste Experte sein muss, sondern Coach und Mentoren Rolle einnehmen soll. Das heißt, ich unterstütze meine Kolleginnen und Kollegen darin, besser zu werden, als ich es jemals war, letztendlich um durch konstruktives Feedback auch wachsen zu können. Das heißt, es geht viel stärker um Kommunikationsskills. Wie kann ich meine Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, besser zu werden? Wie kann ich sie dabei unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen? Es muss nicht mein Weg der beste sein. 

Dadurch kann ich auch unterstützen, dass Innovation vorangetrieben wird und nicht alles einfach morgen weiter so gemacht wird, wie es gestern gelaufen ist. Und auch das Thema Vorbildwirkung ist aus meiner Sicht ein ganz zentrales. Lebe ich die Dinge vor? Ich höre im Seminar oftmals, das sollten meine Chefs genauso mal hören! Und tatsächlich geht es wohl auch darum, dass ich als Führungskraft nicht nur meine Mitarbeitenden in Veranstaltungen zur Entwicklung schicke, sondern auch selbst mich weiter entwickle. Was tu ich denn selber, um an meiner Entwicklung zu arbeiten und noch besser, für mein Team und meine Organisation Verantwortung übernehmen zu können?

Stefan: Eine Brandrede – ich würde mich sofort bewerben bei Dir 🙂 Ich werfe jetzt dennoch kritisch ein, die Führungskraft soll heutzutage sein: Manager – brauchen wir nach wie vor, wir müssen Kennzahlen erreichen, wir müssen Probleme im reaktiven Modus lösen, et cetera – Leader – das hast du gerade wunderbar erklärt – Personal Entwickler – Agil – und jetzt vielleicht auch noch Experience Designer … Wunderwuzzi ist der Begriff der mir da sofort einfällt.

Ist das leistbar? Bzw. wie schaffst du das – erstens Menschen dazu zu ermöglichen, aber gleichzeitig auch die notwendige Freude dran zugeben? Das ist ja ein Riesenaufwand, vor allem wenn man bedenkt das viele Führungskräfte auch noch die besten Experten sind oder sein müssen.

Radikale Ehrlichkeit – auch zu sich selbst!

Ewald: Für mich ist da ein Begriff wichtig: radikale Ehrlichkeit, Ehrlichkeit zu mir selber! Was kann ich leisten, und wo sind meine Grenzen, und mich mit diesen Grenzen bewusst auseinanderzusetzen. 

Oftmals in einem Coaching Gespräch geht’s darum, welche Glaubenssätze leiten mich in meinem täglichen Tun? Woher kommen die? Vielleicht waren sie in einer früheren Zeit hilfreich und unterstützend, aber heute limitieren sie mich, wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe, ich muss für alles zuständig sein, und ich muss für alles eine Lösung, eine Antwort haben.

Es ist sehr mutig, heute zu sagen, ich habe dafür keine Antwort, ich brauche deine Unterstützung. Und wenn Führungskräfte diese Ehrlichkeit entwickeln, diese Grenzen für sich selber setzen und letztendlich auch zum Diskussionspunkt in der Organisation machen, wird vieles einfacher leistbar. Und ich glaube, dafür braucht es noch relativ viel Mut. Wir kommen sicher aus einer Zeit, wo klar war, dass ich Schwächen nicht gezeigt habe, sondern eher ja gesagt habe. Und heute geht es viel stärker darum, nein zu sagen und vorher zu wissen, wozu kann ich ja sagen, und wo muss ich auch klare Grenzen setzen. 

Wenn ich das als Führungskraft vermittle, werde ich auch in meiner Organisation eine neue Kultur schaffen, vielleicht auch eine Kultur, die nicht nur ehrlicher ist, sondern die offen auch mit Fehlern und Schwächen umgeht. Und dann kommt das nächste Stichwort: Fehlerkultur. Ein Aspekt den ich zunehmend bedeutender sehe, nicht nur in der Verantwortung von Führungskräften, sondern auch von Organisationen, eine solche Kultur zu pflegen, zu stärken und zu nutzen.

Stefan: Und wieder einmal das Wort Mut – das kam regelmäßig auch in Podcasts davor. Das muss ein ganz wesentlicher Aspekt sein auch für eine ausgezeichnete Employee Experience, und vielleicht muss ich auch mal zu dem Thema eine eigene Folge machen.

Du hast jetzt schon ein paar Beispiele gebracht. Deswegen stelle ich die Frage nicht mehr, aber ich reflektiere es noch kurz, wie denn eine Führungskraft oder eine Führungsperson Einfluss auf dieses unmittelbare Umfeld, auf diese unmittelbare Experience im Unternehmen nimmt. Erstens Authentizität, also Vorbildwirkung, dadurch auch das Zugeben, dass ich nicht alles weiß, dadurch auch ein Umfeld für das Zugeben von Fehlern schaffen und daran zu arbeiten, besser zu werden, weil eben nicht jeder alles wissen kann.

Letzter Punkt zu dem Thema, den ich vorbereitet habe. Sind jetzt die Führungskräfte, die Führungspersonen der Schlüssel zu dieser ausgezeichneten Experience auch für mich als Mitarbeiter, oder gilt da nach wie vor die Aussage: Organisation schlägt Individuum. (Wird denke ich Peter Drucker zugeschrieben) Kann hier der oder die Einzelne ein Organisationsumfeld, dass das nicht will oder dass da noch nicht so weit ist, überhaupt aushebeln?

Organisation schlägt Individuum, oder doch nicht?

Ewald: Ich sehe da – und vielleicht hat das auch mit meiner Tätigkeit zu tun – ganz klar den Fokus am Individuum. Ich gestalte Unternehmenskultur mit, und das tue ich durch die Art und Weise, wie ich agiere, durch meine Haltung und meine Werte, die ich lebe und zeige, durch authentisches Verhalten, und diese Verantwortung übergebe ich nicht alleine Führungskräften. Dafür ist jeder im Team aus meiner Sicht gleich verantwortlich, und manchmal fällt es dem einen leichter, mehr drauf zu achten, manchmal dem anderen.

Du hast gerade angesprochen Führungskräfte haben so viel zu tun. Es gibt so viele Aspekte ihrer Tätigkeit, die sie wahrnehmen müssen. Ich muss nicht alles an die Führungskräfte zurück delegieren. Ich darf als Team Member auch meinen Teil einbringen zur Gestaltung und Entwicklung einer inspirierenden, konstruktiven Kultur der Zusammenarbeit. Ich habe sehr kräftige Teams erlebt, und meistens hat das damit nicht nur mit der Führungskraft zu tun, nicht nur mit den Vorgaben der Organisation, sondern wie die Menschen miteinander umgehen, wie sie sich gegenseitig unterstützen und wie offen sie miteinander umgehen.

Stefan: Das ist ein schönes Bild, danke Ewald! Und es entspricht auch Feedback, das ich bekomme, das meistens das unmittelbare Umfeld, also die Kolleginnen und Kollegen, das Team, aber natürlich auch die Führungskraft den großen Impact auf das eigene Wohlbefinden, aber auch auf das Engagement hat, also egal, wie die große Welt sich rundherum in einem Konzern beispielsweise gerade bewegt. Und wenn diese Einheit, die du gerade beschrieben hast, passt und gut funktioniert, dann scheint das ganz wichtig für die Menschen zu sein, damit sie noch handlungsfähig bleiben und Spaß haben.

Ewald, du hast eine wunderbare Leitlinie auf deinem Linkedin Profil, nämlich: Neugier und Kreativität, zwei Ausgangspunkte für un-langweiliges entwickeln. Da ist meine Frage, welche Rolle spielen denn das Thema Neugier und Kreativität für Führungskräfte und Organisationen im allgemeinen? Aber auch – kann ich das umformulieren: Neugier und Kreativität, zwei Ausgangspunkte für ausgezeichnete People Experience? 🙂

Neugier und Kreativität

Ewald: Ich denke mir, es passt auch in dieser Formulierung sehr gut. Aber wie bin ich denn zu diesem  Slogan, zu diesem Motto gekommen? Einerseits genau meine Erfahrung, die ich vorher auch schon geteilt habe. Ich bin neugierig geworden auf die Menschen, die vor technischen Geräten sitzen. Ich habe Interesse an den Menschen, ich habe Interesse an ihren Bedürfnissen, an ihren Begabungen. Neugier hat viel mit zuhören zu tun, mit zuhören und aufnehmen, vielleicht sogar mehr als mit reden.

Und ich kann mich erinnern, auch das habe ich in einem Podcast von dir schon gehört, zum Thema Employee Journey und Fokudgruppen. Wo du genau das machst und darüber berichtet hast: zuerst mal zuhören, um zu verstehen, wie geht’s denn den Teilnehmenden, den Mitarbeitenden in der Organisation. Nicht Hypothesen zu bilden und interpretieren, sondern zuerst mal hinzuhören. Wo drückt der Schuh, was macht Spaß? Wo stehen wir? So viel zum Thema Neugier.

Kreativität heißt für mich Bereitschaft zum Experimentieren, etwas neues auszuprobieren, vielleicht auch zu scheitern, dann wieder aufstehen, Krone richten und weitermachen, Und oftmals ist es genau wiederum im Scheitern schon versteckt, die Lösung für einen neuen Weg, und das macht für mich Kreativität aus. Kurzweilig immer wieder mal etwas Neues auszuprobieren, Routine zu durchbrechen und darüber Entwicklung passieren zu lassen. Das passt für Persönlichkeitsentwicklung, Führungskräfteentwicklung genauso wie für Employee Experience.

Stefan: Ich kann nur sagen, bei Dir wirkt das sehr authentisch, und ich glaube, das muss man ihm auch als Person vertreten können. Ich nehme wieder dieses Bild, dass es vorne und hinten gibt, und dann kann ich mich vorne hinstellen vor die Mannschaft und sagen, alle müssen kreativ und neugierig sein, und selber verstecke mich in meinem Büro 🙂

Lass uns langsam ins fade-out komme. Hast du eine, vielleicht zwei Empfehlungen, was Unternehmen jetzt machen sollen – also heuer 2023 unbedingt angehen sollen – beim Thema Talententwicklung, Führung und Organisationsentwicklung?

Psychologische Sicherheit, radikale Ehrlichkeit und Vernetzung sollte jeder auf der Agenda haben

Ewald: Darf ich wirklich so mutig sein und zu behaupten, ich habe die Antworten für alle Organisationen? Zwei, drei Tipps, und ihr seid super unterwegs? Jede Organisation steht woanders. Du kennst sicher das Konzept von Spiral Dynamics, das auch beschreibt, jede Organisation ist in einer anderen Stufe, braucht andere Maßnahmen und andere Lösungen. Die perfekte Lösung zu finden, scheint mir doch ein bisschen mutig und überzogen. Letztendlich, was können alle gut brauchen, und das ist vielleicht jetzt eine Zusammenfassung von Dingen, die ich im Laufe dieses Gesprächs auch schon genannt oder besprochen habe:

  • Ich glaube, das Thema Vernetzung zu fördern, Austausch zu fördern, ist etwas, was jeder Organisation gut tut, wenn sie dafür einen Rahmen schafft.
  • Ein anderer Aspekt ist das Thema psychologische Sicherheit. Gelingt es der Organisation, dass ein Wohlfühlen entsteht, dass ich nicht aus Angst oder Druck heraus agiere, Kreativität produzieren muss zum Beispiel, sondern weil ich mich inspiriert fühle und weil ich mich wirksam erlebe in dieser Organisation und weil die Organisation mich letztendlich auch in einer gewissen Weise schützt und mir einen geschützten Rahmen bietet – nicht zu verwechseln mit geschützter Werkstatt 😉
  • Und das Thema zuhören und eine neue Ehrlichkeit entwickeln. Sich Dinge direkt und klar zu sagen, ohne verletzend zu sein. Ich glaube, wir brauchen gerade in einer so schnelllebigen Zeit mit so vielen Anforderungen eine neue Art der Offenheit und Ehrlichkeit, miteinander umzugehen. 
  • Stefan: Schade lieber Ewald, dass auch Du nicht die Glaskugel hast, in die wir schauen können, in die Zukunft. Ich Versuchs weiter 😉 Irgendwann werde ich den richtigen Gast finden.

Spaß beiseite, genau so war meine Frage gemeint. Ganz wichtige Punkte wo man mal direkt gleich reinschauen kann – wo stehe ich denn da in meiner Organisation oder auch in meinem Team.

Wir nähern uns dem Schluss unseres Gesprächs und ich denke Du weißt was jetzt kommt. Die 2 Abschlussfragen die ich jedem Gast stelle: und zwar erstens: was war denn für dich so ein ganz besonderer moment that mattered an den du dich bis heute noch gerne und gut oder vielleicht auch besonders schlecht erinnerst. Gibt es da was, was du teilen möchtest?

Ewalds Moment that Mattered

Ewald: Tatsächlich fallen mir ganz viele Situationen ein, und da bin ich vielleicht durchaus privilegiert, wenn ich sagen kann, ich habe ganz viele tolle Erinnerungen. Eine der ersten Erinnerungen, die ich jetzt gerne mit dir teilen möchte, ist aus meiner Zeit als ich mich vom Techniker zum Unternehmensberater entwickelt habe. Ich war als Techniker durchaus jemand, der fachlich sattelfest in seinem Thema war, und hatte mit einer berufsbegleitenden psychologischen Ausbildung ein bisschen einen Hintergrund. Tatsächlich hatte dann die erste Beratungsorganisation, bei der ich andocken konnte, einfach den Mut – wieder mal der Begriff Mut! – zu sagen, wir trauen dir das zu. Mach es einfach! Jemand hat mir zugetraut, ich kann etwas, was ich davor so noch nie gemacht hat, und gesagt, probier es aus! 

Das hat mich unheimlich wachsen lassen und hat mir in meinem Start als Unternehmensberater sehr geholfen. Menschen, die gesagt haben, wir sind von dir überzeugt, dass du das gut machen kannst, und wir geben dir den Raum, das zu machen. Dafür bin ich sehr dankbar, weil es letztendlich mein Einstieg in die Karriere des Unternehmensberaters war.

Stefan: Wunderschöner Moment! Vielen dank fürs Teilen. Und zweitens: wen sollte ich denn deiner Meinung nach hier einmal als Gast einladen? Wen würdest du denn gerne mal in Zukunft bei mir hören?

Ewalds Gäste Empfehlung

Ewald: Weißt du, worauf ich besonders neugierig wäre … auf den Markus Ebner. Und das Thema Positive Leadership. Das sind Aspekte, die sich auch hinter psychologischer Sicherheit verbergen. Wie gestalte ich ein Umfeld, in dem positive Employee Experience passieren kann? Letztendlich geht es ja auch um eine work-life Experience. Und dabei kann positive Leadership sicher helfen, und das ist nicht nur auf Führungskräfte eingeschränkt.

Stefan: Damit sage ich ganz, ganz herzlichen Dank! Es war wunderbar, dich hier zu haben und zu meinem und deinem Herzensthema gemeinsam zu sprechen. Danke, dass du da warst, und vielen Dank, dass du deine Gedanken und Erfahrungen geteilt hast.

Ewald: Vielen lieben Dank für die Einladung.

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Damit bleibt mir noch Euch alles Gute zu wünschen – beibt´s gesund, und bis bald,

Stefan