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Bewerbungsdauer und Candidate Experience…

In diesem Blogpost betrachte ich ein Thema etwas genauer, das in der letzten Folge, in der Folge #6, mein Gast Elisabeth Petracs aufgebracht hat. Und zu dem ich, es gibt keine Zufälle war ebenfalls ein Statement von Elisabeth, innerhalb einer Woche völlig unerwartet mehrere Impulse und interessante Gespräche hatte.

Wenn ihr die Folge gehört habt, ich verlinke sie Euch gerne auch nochmal nach dem Beitrag, dann wisst Ihr, dass Elisabeth mein erster Interview Gast war, und wir zum Thema Agilität und EX gesprochen haben. Eine Frage an die Elisabeth von mir war, was macht denn Unternehmen Jahr 2023 noch besonders, die agil arbeiten. Ja, und Elisabeths Antwort war, dass die Unternehmen, die sagen, dass sie agil arbeiten, überhaupt nichts mehr besonders macht, weil das ja mittlerweile fast alle behaupten. Aber diejenigen, die es tatsächlich tun, die machen schon einen Unterschied. Und was ist dieser Unterschied? Und da zitiere ich auch nochmal die Elisabeth, die sagte „Es geht definitiv nicht darum, irgendwelche Methoden anzuwenden, sondern es geht darum, Kommunikation und Zusammenarbeit anders zu organisieren, und es geht darum wie geführt wird und wie Führungskräfte ticken.“

Und dann hat sie ein Beispiel gebracht zu einem eigenen Erlebnis, nämlich ihrer Recruiting und Candidate Experience zu Ihrem aktuellen Job. Und was hat sie dazu gesagt: es war schnell, es war persönlich, es war individuell, es wurde auf ihre Bedürfnisse eingegangen, sie wurde gut abgeholt, und dass sie sich gleich extrem wohlgefühlt hat, so Ihre eigene Worte. Das alles hat Ihr dann die Entscheidung zur Zusage sehr leicht gemacht. 

Was kommt da in dieser Aussage, eigentlich in einem einzigen Satz, alles vor? Geschwindigkeit – „Schnell“, Wertschätzung und Augenhöhe – „persönlich, individuell, auf Bedürfnisse eingehen“ – wunderbar. Besonders gefällt mir aber darin die Aussage „ich habe mich extrem wohlgefühlt“!

In dem Wort steckt ja Gefühl und fühlen, was für mich auch ganz stark mit Erleben und Emotion verknüpft ist. Wie habe ich wesentliche Momente erlebt, und wie habe ich mich dabei gefühlt. Das macht den wesentlichen Unterschied, und das ist ja auch der Kern des Experience Ansatzes, sei es im Kundenbereich, sei es im Bereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Und nun zurück zum Thema Zufall, oder eben auch nicht. Denn kaum hatte ich die Folge mit Elisabeth im Kasten, begannen auch schon Kontakte und Gespräche genau zu dem Thema Candidate Experience. Ganz konkret waren es 3 Impulse, davon 2 Gespräche in der letzten Woche, die ich mit Euch teilen und einordnen möchte.

Erster Impuls: Moment that Matters Episode zur Candidate Experience

Am Mittwoch letzter Woche ging die neueste Folge des Podcasts Moments that Matter von Max Lammer on air, und hatte doch tatsächlich die Candidate Experience zum Thema. Hört gerne mal rein, ich verlinke die Folge unten. Und in dieser Folge erwähnt Max unter anderem eine Umfrage von karriere.at, nachdem die Dauer des Bewerbungsprozesses, die für Kandidatinnen noch akzeptabel ist, bei 19Tagen liegt. N-e-u-n-z-e-h-n Tage, lasst Euch das einmal auf der Zunge zergehen.

Jetzt weiß ich natürlich nicht, wie es bei Euren Unternehmen um diese Dauer steht. Ich weiß auch nicht, wie rasch Ihr selbst bei Euren Bewerbungen die Candidate Journey durchlaufen habt. Aber ich weiß, wie es bei mir selbst war, und da kann ich Euch ganz klar sagen – ich war in meinem gesamten Berufsleben und vielen Bewerbungsprozessen, von der allerersten Bewerbung meines Lebens als Feriali bis zu Bewerbungen für die ich zu Interviews in Europa per Flugzeug und via Chauffeur geladen wurde, nie innerhalb von 19 Tagen. Sondern eher zwischen 2-3 Monaten. Also doch ein massiver Abstand zu diesen genannten 2-3 Wochen.

Nun bin ich definitiv nicht mehr unter die junge Generation zu zählen, und hatte selbst auch nie den Anspruch, dass die Entscheidung innerhalb von knapp 3 Wochen fallen muss. Mir persönlich ist es wichtig, dass ich regelmäßig Rückmeldung bekomme wo der Prozess selbst gerade steht, was der nächste Schritt ist, und bis wann ich dazu mit Rückmeldung rechnen kann. Ich war immer in mehrstufigen Interview-Prozessen, teilweise mit Assessment Center, teilweise ohne, mit teilweise aufwendiger Anreisetätigkeit wie vorhin auch geschildert. Und offen zugegeben, da hätte es mich auch als Kandidaten selbst eher gestresst als das es ein positiver Effekt gewesen wäre, so eine Geschwindigkeit. 

Ich habe dazu spontan mein Netzwerk auf LinkedIn befragt, was sie denn als akzeptable Dauer von Bewerbung bis Entscheidung sehen. Die Ergebnisse, zumindest in meiner „Bubble“ sprechen auch eine andere Sprache: nämlich 1-2 Monate als Zeitraum der für rund 80% akzeptabel ist. Rd 47% sagen maximal 1 Monat, rd 32% bis 2 Monate, rd 19% sind wenig geduldig und erwarten eine Entscheidung innerhalb von 3 Wochen. Und nur rund 3% haben auch kein Problem damit, wenn es länger als 2 Monate dauert.

Dazu kamen valide Anmerkungen, das dies wohl auch stark von der Position abhänge, was ich definitiv auch so sehe. Einen CEO eines globalen Konzerns werde ich kaum in 3 Woche besetzen (wollen), einen Individual Contributor ohne Spezialanforderungen/Kenntnisse durchaus.

Wie war es bei euch? Würde mich brennend interessieren, und freue mich daher über Feedback, was einerseits Eure tatsächlich erlebte Bewerbungsprozessdauer war, und welche Dauer Ihr noch akzeptieren würdet.

Nochmal zurück zum Ausgangspunkt, zu Elisabeths Schilderung – es muss persönlich sein, es muss individuell sein, und es muss schnell sein:

mein Fazit: Zeit ist definitiv ein wichtiger Faktor, wohl aber auch ein höchst individueller und situationsabhängiger!

Was sonst noch Faktoren sind, warum Kandidatinnen und Kandidaten Bewerbungsprozesse abbrechen, obwohl sie an der Stelle an sich interessiert wären, sagt uns eine Studie von Softgarden in der über 6.000 Bewerberinnen befragt wurden. Zeitlich liegt diese Studie allerdings mit 2019 vor Covid. Da mag sich durch die Zeit der Pandemie durchaus auch etwas verändert haben. Leider finde ich keine aktuellen „Post-Covid“ Studien, also in meinem Verständnis aus dem Zeitraum zweites Halbjahr 2022 bis heute. Wenn ihr dazu Tipps habt, wo ich dazu Zahlen finden kann, lasst es mich bitte wissen, und nehmt mit mir Kontakt auf.

Quelle / Referenz: https://de.statista.com/infografik/18348/warum-jobsuchende-bewerbungen-abbrechen/

Zweiter Impuls: Gespräch mit einer ehemaligen Kollegin

Ebenfalls letzte Woche hat sich spontan ein Treffen mit einer ehemaligen Teamkollegin aus meiner Zeit bei der Post ergeben. Sie hat vor kurzem zu einem großen europäischen Unternehmen gewechselt, bei dem wir alle wahrscheinlich schon mal Kunden waren, und sie hat mir auch von ihrer Candidate Experience erzählt. Und was ist in dieser Schilderung vorgekommen? Da ist vorgekommen: schnell, individuell, es wurde auf sie eingegangen, es war ein tolles Erlebnis, und sie hat sich extrem wohlgefühlt 🙂 Erinnert uns an etwas, oder. Ja genau, fast wortwörtlich dieselben Parameter wie in Elisabeths Interview.  Von zwei völlig unterschiedlichen Menschen, die sich auch nicht kennen, habe ich innerhalb von einer Wochen mehr oder weniger dasselbe geschildert bekommen.

Auch sie hat sich für diesen neuen Arbeitgeber, für dieses Unternehmen entschieden, und zwar sehr klar und sehr schnell.  Ein Zeichen, das viele Unternehmen hier bereits vieles richtig machen am Anfang der Employee Journey. Andererseits sagt mir das aber auch, dass es für diejenigen Unternehmen die das nicht tun, zunehmend schwieriger und auch kostenintensiver wird, ihre offenen Stellen zu besetzen. Denn diese Geschwindigkeit, diese Individualität, diese gesamte „Experience“ zu schaffen, wo Kandidaten selbst später noch sagen sie haben sich extrem wohlgefühlt fühlt, und da war es einfach für mich, mich zu entscheiden, das ist etwas, das kann man nicht einfach von heute auf morgen erzwingen oder verordnen. Da gehört viel dazu, beginnend vom Unternehmensumfeld, den Prozessen, den handelnden Personen (erinnert euch hier kurz zurück an die Top 3 Thema für Abbrüche in der Studie die ich vorhin zitiert habe), dass das so funktioniert.

Dritter Impuls: Gespräch mit einer Kollegin

Eine Kollegin im Unternehmen, mit der ich gesprochen habe, eine Kollegin der jüngeren Generation, die hat mir von einem Klassiker im Recruiting erzählt hat, der auch mir schon passiert ist, und den vielleicht der Eine oder die Andere von Euch auch schon erlebt hat. Worum ging es – es ging darum, dass man als Kandidatin oder Kandidat gebeten wird seinen Lebenslauf auf eine Plattform hochzuladen. Und, vielleicht könnt ihr euch schon denken was jetzt kommt 😉 Ja, genau, und danach muss man alle diese Infos nochmal separat in das System eingeben – also, Ausbildung, berufliche Stationen etc. 

Ganz klar, das ist ein riesen pain! Wenn man als Unternehmen erwartet, dass über Online Bewerbungsplattformen ein Lebenslauf hochgeladen wird, und dann die Daten aus dem Lebenslauf nicht automatisch in die Systeme übernommen werden. Dafür hat heutzutage wohl kaum eine Kandidatin oder ein Kandidat mehr Verständnis. Ich selbst schicke gerne einen Lebenslauf, ich lade den von mir aus auch noch irgendwo hoch, wenn man das denn unbedingt haben muss. Aber händisch berufliche Stationen und Ausbildungen in ein Online System eintragen, absolutes no go im Jahre 2023. 

Ich selbst würde da noch einen Schritt weitergehen, und zwar – warum benötigt ein Unternehmen überhaupt noch meinen Lebenslauf als eigenes Dokument. Meine beruflichen Stationen, meine Ausbildungen, meine Aktivitäten, Auszeichnungen, Empfehlungen von Leuten aus meinem Netzwerk etc. sind immer aktuell und im Detail beispielsweise auf Linkedin verfügbar. Fragt mich doch einfach um die Zustimmung und Zugriff auf mein Profil, und zieht von dort die Daten in Euer System ab. Voila, win-win. Ihr habt aktuellste, qualitativ hochwertige und umfangreichere Informationen zu mir, als Ihr sie je in einem Lebenslauf Dokument bekommen könntet. Und ich habe keinen Aufwand irgendwelche Systeme händisch zu füttern oder eigene separate Dokumente zu erstellen.

Ja, warum bespreche ich das? Weil Unternehmen das Thema Experience nicht nur deswegen machen, weil sie ein „Wohlfahrtsverein“ sind. Zumindest nicht, wenn man ein for-profit Unternehmen ist, schon gar nicht, wenn man ein börsennotierter Konzern ist. Sondern weil wir heute wissen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein positives Arbeitsumfeld haben, die sich bei Ihrer Arbeit wohlfühlen, einerseits selbst positiver sind, gesünder sind und bleiben, eine bessere Widerstandskraft haben und … auch produktiver und innovativer sind.

Und da schließt sich für mich der Kreis von Employee Experience zu dem Thema Recruiting und Candidate Experience. 

Wenn ich hier ganz am Anfang der „Journey“ schon nicht gut aufgestellt bin und schon Fehler mache und es nicht schaffe eine gute Experience im Prozess zu erzeugen (Erinnerung an die beiden Zitate von oben „habe mich extrem wohlgefühlt“), dann wird es zunehmend schwieriger bis unmöglich werden, ausgezeichnete Kandidatinnen und Kandidaten anzuziehen. Die Zeiten bis zur Besetzung werden länger, oder Stellen werden überhaupt nicht besetzt werden können. Was wir weiter wissen, ist, dass die Alterspyramide auf uns zukommt. Und zwar nachweislich, datenbasiert, und unaufhaltsam. Wir wissen, dass die geburtenstärksten Jahrgänge in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, und wir wissen, dass geburtenschwächere Jahrgänge am Arbeitsmarkt nachkommen. Wir wissen auch, dass die Automatisierung, die uns hier helfen könnte, in dem wir beispielsweise repetitive, unattraktive Jobs nicht mehr nach besetzen müssen, weil sie eben voll automatisiert sind, wahrscheinlich bis dorthin noch nicht so weit sein wird, dass hier alles, was wir nicht nachbesetzen können, an Maschinen oder künstliche Intelligenzen auslagern können.

Daher hat wahrscheinlich dieses Thema auch so resoniert bei mir. Und die beiden wunderbaren Beispiele, wie das gut funktionieren kann, wo zwei Menschen wirklich begeistert erzählt haben von Ihrer Candidate Journey und Experience, und die dadurch defacto zu Arbeitgeber Marken Botschafterinnen geworden sind. Win, win auch hier. Ganz ohne Branding Budget oder sonstige Zusatzkosten

Ja, das soll es jetzt gewesen sein, mit diesem Post und dem Nachhall zum Interview mit Elisabeth und zum Thema Recruiting und Candidate Experience. Ich freue mich auf deine und eure Meinungen und Feedback. Welche außergewöhnlich guten oder außergewöhnlich schlechten Candidate Experiences habt Ihr schon erlebt? Welche Dauer ist bei Euch für einen Bewerbungsprozess noch akzeptabel, von Bewerbung bis zur Entscheidung und Zusage?

Wenn Euch dieser Post gefallen hat, freue ich mich sehr, wenn Ihr mit mir Kontakt aufnehmt und ich von Euch lernen kann. Wenn Ihr das Thema auch nach-hören wollt, geht es hier zur gleichnamigen Podcast Folge #7/23. Und abonniert gerne auch meinen Newsletter oder folgt mir auf Instagram.

Damit bleibt mir noch Euch alles Gute zu wünschen – beibt´s gesund, und bis bald,

Stefan